Schlechte Erinnerungen loswerden

Eine Person liegt im Halbschatten, das Gesicht abgewandt. Darüber steht: "Schlechte Erinnerungen loswerden" | © 2022 Claus R. Kullak | Annie Spratt / Unsplash | crk-resanimi.de

Oft kommen sie einfach hoch: schlechte Erinnerungen, die wir vergessen oder verdrängen oder sonst irgendwie loswerden wollen. Ein einfaches Hilfsmittel.

Schlechte Gedanken und Erinnerungen scheinen sich uns umso mehr aufzunötigen, je mehr wir ihnen aus dem Weg gehen wollen. Wir versuchen, gezielt nicht daran zu denken, sie zu verdrängen oder am besten zu löschen. Leider kommen sie uns regelmäßig wieder ins Bewusstsein, wenn wir entspannt, müde oder angegriffen sind.

Das liegt daran, dass unser Gehirn leider überhaupt nicht so funktioniert, wie wir es uns wünschen. Dinge, mit denen wir uns viel beschäftigen und an die wir viel denken (oder die wir aktiv verdrängen), kommen uns häufiger in den Sinn. Außerdem erinnern wir uns an Dinge, die bei uns starke Gefühle auslösen, umso besser. Und beides ist bei schlechten Erinnerungen ja der Fall.

Dass sie darüber hinaus ausgerechnet dann hoch kommen, wenn wir schlafen wollen oder es uns ohnehin schon schlecht geht, hängt damit zusammen, dass wir dann nicht mehr die Energie haben, die schlechten Erinnerungen aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Ja, Verdrängung kostet Kraft.

Schlechte Erinnerungen löschen wäre am schönsten

Der Eindruck, dass wir am häufigsten an die Dinge denken müssen, die wir eigentlich vergessen wollen, ist also richtig. Das führt vielfach zu dem Versuch, schlechte Erinnerungen zu löschen und sie ganz und gar zu vergessen. Wenn das möglich wäre, wäre es natürlich die angenehmste Methode im Umgang mit allen schlechten Gedanken.

Leider ist es nicht möglich. Schlechte Erfahrungen loszuwerden, funktioniert nur über den Umweg, sich damit zu beschäftigen, sie zu verarbeiten und schließlich loszulassen. Unsere Erinnerungen werden uns bleiben. Aber wir können ihnen die Wichtigkeit nehmen, indem wir ihnen die Schärfe der Peinlichkeit oder der Verletzung nehmen, die wir damit verbinden.

Zum Glück gibt es ein relativ einfaches Mittel, uns unserer dieser Gefühle anzunehmen.

Was macht manche Erinnerungen schlecht?

Als Erstes stellen wir uns die Frage, woran es liegt, dass wir ein bestimmtes Erlebnis oder einen bestimmten Gedanken vergessen wollen. Loswerden wollen wir all das, was uns unangenehm ist.

Manchmal sind das Erinnerungen an Situationen, in denen sich jemand anderes uns gegenüber falsch verhalten und uns verletzt hat. Auslösend können allerdings genauso gut Situationen sein, in denen wir das Gefühl haben, dass wir uns falsch verhalten haben. Es kommt sogar vor, dass wir beides gar nicht so genau unterscheiden können, wie wir im ersten Moment denken.

Schlechte Erfahrungen sind außerdem immer solche, zu denen wir ein starkes Gefühl haben. Sie sind also sehr verletztend oder sehr peinlich. Diese Gefühle sind mit Wertungen verbunden. Ohne eine eigene Wertung einer Sache, haben wir auch kein solches Gefühl. Neutrale Sachverhalte finden wir nicht verletzend oder peinlich.

Ich werde hier gleich eine Methode aus der Schematherapie vorschlagen, wie wir die Erinnerung an eine schlechte Situation durch die Vorstellung einer guten Situation ergänzen können. Dazu, wie wir Wertungen hinterfragen können, wird ein zusätzlicher Artikel notwendig sein.

Unser erinnertes Ich in Schutz nehmen

Wir können unsere schlechten Erinnerungen also nicht verändern, vergessen oder löschen. Wir können uns aber mit der Schärfe der Gefühle und den Wertungen, auf welche sie sich beziehen, auseinandersetzen. Klar ändern wir damit nicht die Erinnerung selbst, aber wir ändern die Gedanken, die wir uns dazu machen. Und damit können wir die erinnerte Situation durch neue Gefühle ergänzen.

Nein, das bedeutet nicht, so zu tun, als sei alles nicht so schlimm gewesen.

Es gibt da also diese Situation aus unserer Vergangenheit – unserer Kindheit vielleicht – in der wir verletzt wurden. Oder es wurde uns etwas angetan bzw. wir haben etwas getan, was uns peinlich ist. Mit diesem Ereignis machen wir nun Folgendes:

  1. Wir rufen uns die Situation und unser Gefühl zu dieser Situation so deutlich wie möglich ins Bewusstsein.
  2. Wir führen uns vor Augen, was unser Gefühl ausgelöst hat, und stellen uns dabei die Fragen danach, welche Wertung wir damit verbinden und welches Bedürfnis wir in dieser Situation hatten, das nicht erfüllt wurde.
  3. Wir denken uns eine für uns sichere Person aus, die uns in dieser Situation helfen hätte können. Stephanie Stahl spricht in „Das Kind in dir muss Heimat finden“ einfach von einer Hilfsperson.
    Das kann jemand sein, dem wir wirklich vertrauen, oder eine fiktive Person, die wir uns selbst ausdenken oder von wo anders übernehmen: die Oma, die immer auf unserer Seite war, der große Bruder, den wir uns immer gewünscht hätten, oder Batman.
    Wir können uns für jede Situation eine besonders gut passende Hilfsperson ausdenken oder immer dieselbe nehmen. Wichtig ist, dass die Person für uns sicher ist.
  4. Nun stellen wir uns vor, wie diese Person auf unserer Seite in die Situation eingreift: Sie kann beispielsweise das tun, was wir uns eigentlich von unserem Gegenüber gewünscht hätten. Sie kann das Gegenüber, das sich uns gegenüber falsch verhält, auch zurechtweisen, sich schützend vor uns stellen oder uns trösten.
    Wichtig ist hier, dass unsere Hilfsperson unser Bedürfnis in dieser Situation erfüllt beziehungsweise etwas tut, was wir als positiv erleben und nicht in derselben Weise negativ bewerten wie unsere schlechte Erfahrung.
  5. Wir konzentrieren uns auf das positive Gefühl, das wir dadurch erleben.

Beispiele für den Umgang mit schlimmen Erlebnissen

Wir erreichen zwei Dinge auf diese Weise: Wir entwickeln und üben ein Werkzeug, dass sich auf jede mögliche schlechte Erinnerung anwenden lässt. Und wir schreiben der konkreten Erfahrung etwas Positives zu, dass wir immer gemeinsam erinnern können. Und so kann das aussehen:

  • Jemand hat die Erfahrung gemacht, dass sich ein Elternteil dieser Person gegenüber in einer Situation übergriffig, drohend oder in schlimmerer Weise verhalten hat. Die Person fühlt sich davon verletzt und ist gegebenenfalls auch wütend.
    Eine Hilfsperson kann sich in einer alternativen Szene vor die Person stellen, das Elternteil zurechtweisen oder fortschicken. Die Person kann dann von der Hilfsperson getröstet werden.
  • In einer anderen Situation hat eine Person erlebt, dass sie sich in einer Weise verhalten hat, die sie nun selbst als peinlich bewertet oder die damals von anderen als peinlich bewertet wurde.
    Die Hilfsperson kann nun die anderen abwehren und die Person selbst in Schutz nehmen. Sie kann aber die Person auch trösten, weil sie sich gar nicht falsch verhalten hat oder es nicht besser hatte wissen können.

Erinnerungen in kleinen Schritten verarbeiten

So kann einer negativen Erfahrung eine positive alternative Szene angeheftet werden. In gleicher Weise kann man mit allen schlechten Erinnerungen umgehen und diese langsam aufarbeiten, verdauen und schließlich loswerden.

Erlebnisse, die uns lange Zeit – möglicherweise Jahre oder Jahrzehnte – beschäftigen, lassen sich mit der geschilderten Methode wahrscheinlich nicht bei ersten Versuch abmildern. Eventuell wird es viele Anläufe brauchen. Aber mit jedem Mal wird es ein Stück besser und ein Stück leichter. Selbst wenn wir mit solch einem Hilfsmittel einen langen Weg nur in kleinen Schritten zurücklegen, sollten wir uns also nicht entmutigen lassen.

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